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Kontroverse um Schauspieler-Videos

Meinungsfreiheit in Deutschland

Kontroverse um Schauspieler-Videos

Die Aktion #allesdichtmachen #niewiederaufmachen #lockdownfürimmer stieß auf gemischte Reaktionen. Während die Aktion bei etablierten Medien auf weitgehende Ablehnung stieß, drückten Oppositionspolitiker ihre Zustimmung aus.

von <a href="https://nacht-depesche.de/Autoren/Friedrich_Lemaître">Friedrich Lemaître</a>

aktualisiert am 28. April 2020 | 11:37 Uhr

Die Aktion #allesdichtmachen von ursprünglich 53 Schauspielern, unter ihnen Jan-Josef Liefers:
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oder Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts und Richy Müller, mit der sie gegen den Lockdown protestieren, hat viel Zustimmung, insbesondere im Netz, aber auch wütende Reaktionen hervorgerufen, insbesonders bei vielen Zeitungen und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk:

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Dabei taten sich insbesondere Printmedien mit Beschimpfungen wie „zynisch“, „eklige Ironie“ vor, ohne sich detailliert mit den Aussagen der Schauspieler zu beschäftigen, die nach eigener Aussage auf die vielen zu wenig bedachten Opfer des Lockdowns wie Alte, Kinder, Familien, Freischaffende, Gastwirte, Hoteliers, Einzelhandelskaufleute etc. hinweisen wollen.

Eine Rolle spielte bei den Anfeindungen gegen die Schauspieler insbesondere der taktische Einwand, die Schauspieler, von den inzwischen infolge starken öffentlichen Drucks einige ihre Statements zurückgezogen haben, bedienten mit ihrer Kritik an den Regierungsmaßnahmen und der meist regierungsfreundlichen Berichterstattung der Medien „Rechte“ und „Verschwörungstheoretiker“ und unterstützen damit auch die AfD und verhöhnten die Covid-Kranken.

Bei Youtube waren die Beiträge zeitweise nicht mehr sichtbar, wurden aber wieder freigeschaltet, nachdem das Netzwerk eine Abmahnung dazu erhalten hatte. Derzeit sind offenbar aber nur noch 34 von den ursprünglich 53 Beiträgen zu sehen, nachdem einige Schauspieler, auch nach Morddrohungen, ihre Äußerungen zurückgezogen haben.

Bei den Printmedien tat sich besonders der „Tagesspiegel“ aus Berlin hervor, der titelte, die Aktion sie so „schäbig, daß sie weh tut„: 

Inzwischen ist beim Tagesspiegel aber auch eine kritische Stimme aufgetaucht, allerdings hinter der Bezahlschranke, von dem prominenten Journalisten Harald Martenstein, der die Aktion unterstützt, nachdem dieselbe Zeitung in eine Reihe von Artikeln die Schauspieler mithilfe moralischer Vorhaltungen belehrt hatte, wie weit die Meinungsfreiheit gehe.

In die gleiche moralisierende Kerbe schlug die FAZ in einem Interview mit einem Lungenfacharzt, der Liefers und Co. „Zynismus und die spottende Ironie“ vorwirft, die „Gift für die öffentliche Diskussion“ seien, also die Meinungsfreiheit unter Geschmacks- und Stilvorbehalt stellt. 

Überraschenderweise gab es aus den Medien aber auch von ungewohnter Seite Unterstützung, nämlich von dem recht linkslastigen Leiter der WDR-Monitor-Sendung, Georg Restle, der sich für die Meinungsfreiheit stark machte.

Ganz von der Rolle zeigte sich hingegen der frühere NRW-Wirtschaftsminister und Ex-SPD-Chef in Niedersachsen, Garrelt Duin, der sich tatsächlich dafür aussprach, den Schauspielern bei der ARD den Geldhahn zuzudrehen, über sie also zur Strafe für die abweichende Meinung eine Art partielles Berufsverbot zu verhängen.

Heftig verstieg sich auch die „Zeit“, die nicht zögerte, den härtesten Knüppel hervorzuziehen: Die Aktion sei „faschistisch“.

Unterstützung kam dagegen durchaus auch aus der Politik, unter anderem von CDU-Chef Armin Laschet, der die Schauspieler-Aktion vor dem ins Abseits stellenden Vorwurf in Schutz nahm, das sei doch alles AfD.

An der verbissenen Auseinandersetzung um die Schauspieler-Aktion zeigt sich also exemplarisch die Lage der Meinungsfreiheit in Deutschland. Diese faßt die „Welt“ und ihr Chefredakteur Ulf Poschardt zusammen (hinter der Bezahlschranke). Im Vorspann des Artikels meint er besorgt:

In Schulen und Universitäten, Medien und Kulturinstituten schwindet die Freiheit, der Anpassungsdruck wächst – und damit der Opportunismus. Dabei ist ausgerechnet die Linke zur Verklärerin des Konformismus geworden. Es ist aber auch ein Versäumnis der Bürgerlichen.

Den Schauspielern gehört also, was immer man inhaltlich von den Statements hält, auf jeden Fall offenkundig das Verdienst, die Grenzen der Meinungsfreiheit und vor allem die Kosten ihrer Inanspruchnahme deutlich gemacht zu haben.

Denn indem die – sozialen – Kosten hochgetrieben werden durch die rüden Angriffe bei der Ausübung der freien Rede überlegen es sich viele inzwischen dreimal, ihre Meinung offen zu sagen.

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