Eine Change.org-Petition fordert die israelische Regierung auf, „ihre Verantwortung als Besatzungsmacht nach internationalem Recht zu übernehmen und diesen eklatanten Akt der Rassendiskriminierung zu beenden.“
Die US-Abgeordnete Marie Newman, eine Demokratin aus dem Bundesstaat Illinois, schrieb auf Twitter:
This virus does not see or care about nationality, borders, or religion — its devastating impact is everywhere. The Netanyahu administration has a moral and humanitarian obligation to ensure that both Israelis & Palestinians have access to vaccines.https://t.co/mcD5TXLTI3
— Marie Newman (@Marie4Congress) January 5, 2021
Die US-Aktivistengruppe Code Pink schrieb daraufhin eine E-Mail an ihre Anhänger, in der sie diese aufforderte, von ihren Abgeordneten zu verlangen, dass sie „die israelische medizinische Apartheid verurteilen“.
Fünf Menschenrechtsorganisationen haben nun eine Petition beim israelischen Obersten Gericht eingereicht, in der sie die Weigerung des Ministers für innere Sicherheit anfechten, palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen zu impfen.
Bis zum 11. Januar sind 1.604 Palästinenser in den besetzten palästinensischen Gebieten an COVID-19 gestorben, davon 441 im Gazastreifen. Laut Dr. Mustafa Barghuthi, einem Mitglied des palästinensischen Parlaments und Leiter der Nichtregierungsorganisation Palestinian Medical Relief Society, sei die Infektionsrate in den besetzten Gebieten mit 36 Prozent viel höher als in Israel (4,5 Prozent).
Doch während nicht eine einzige Dosis eines der zugelassenen Impfstoffe zu den Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen gelangt ist, hat Israel seine eigene Bevölkerung schneller geimpft als jedes andere Land der Welt: mehr als ein Viertel seiner Bevölkerung hat die Impfstoffe bisher erhalten.
„Die israelische Regierung muss aufhören, ihre internationalen Verpflichtungen als Besatzungsmacht zu ignorieren und sofort handeln, um sicherzustellen, dass die COVID-19-Impfstoffe den unter ihrer Besatzung lebenden Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen gleichberechtigt und fair zur Verfügung gestellt werden“, so Amnesty International in einer Erklärung am 6. Januar.
Auch Tests sind Mangelware. Dr. Ayman Elhalabi, Gazas Generaldirektor der Medical Supportive Services – einer Abteilung des Gesundheitsministeriums mit Sitz im Westjordanland –, bestätigt, dass COVID-19-Tests fast ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie aufgrund von Engpässen weitgehend nicht verfügbar sind:
Dr. Ayman Elhalabi
„Das zentrale Labor des Gesundheitsministeriums ist der einzige Ort im [Gaza-]Streifen, der den COVID-19-Test durchführen kann. […] Zu Beginn der Krise führte das Labor 200 bis 300 Tests pro Tag durch, jetzt sind es zwischen 2.000 und 3.000. Trotzdem ist das nicht genug. Also müssen wir die Patienten nach dem Schweregrad ihrer Erkrankung priorisieren. Derzeit haben wir schätzungsweise genug Testkits für 20 weitere Tage.“
Der Mangel an Tests ist besonders kritisch, da die COVID-19-Infektionen nach dem Auftauchen einer neuen Variante des Virus stark ansteigen. Die Mutation ist zwischen 10 und 60 Prozent ansteckender und wurde bisher in 50 Ländern nachgewiesen.
Dr. Ayman Elhalabi
„Die Krankenhäuser in Gaza befinden sich aufgrund der zunehmenden Fälle von COVID[-19] in einer ernsten Krise; das hat unsere Kapazitäten für andere medizinische Leistungen stark unter Druck gesetzt. Viele Ärzte und Krankenschwestern machen Überstunden und bekommen nur 50 Prozents ihres Gehalts. Das sind Menschen, die für ihre Familien sorgen müssen.“
Trotz der Krise haben nur wenige die Hoffnung, dass Gaza in absehbarer Zeit einen der neu zugelassenen Impfstoffe erhalten wird.
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland beschuldigte Israel, seiner Verantwortung Impfstoffe in den besetzten Gebieten zur Verfügung zu stellen, nicht nachzukommen und bemühte sich, anderswo Nachschub zu erhalten.
Die PA erklärte, dass sie mit dem britischen Pharmariesen AstraZeneca verhandelt hat, um eine erste Lieferung von COVID-19-Impfdosen im März zu erhalten – weit später als andere Länder und wahrscheinlich nicht ausreichend. Kürzlich wurde bekannt gegeben, dass der russische Impfstoff Sputnik V beschafft wurde und die erste Lieferung im nächsten Monat eintreffen soll.
Die Ressourcen seien jedoch begrenzt und es ist nicht bekannt, wie viel für Gaza bereitgestellt wird, da die PA mit der Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, im Streit liegt.
In einem Interview mit Sky News sagte der israelische Gesundheitsminister Yuli Edelstein, dass die Palästinenser „lernen müssen, sich selbst zu versorgen“ und fügte hinzu, dass Israel „unseren palästinensischen Nachbarn seit den Anfängen dieser Krise geholfen hat, einschließlich medizinischer Ausrüstung, einschließlich Medizin, einschließlich Beratung, einschließlich Versorgung.“
Gerald Rockenschaub, Leiter der Mission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei den Palästinensern, sagte der britischen Zeitung The Independent, dass die WHO Israel gebeten habe, COVID-19-Impfstoffe bereitzustellen, um zumindest die palästinensischen Gesundheitsarbeiter abzudecken.
Fast 8.000 palästinensische Mediziner sind Berichten zufolge mit dem Virus infiziert worden. Laut dem Bericht von The Independent lehnte die israelische Regierung ab und sagte, sie müsse sich zuerst um ihre eigene Bevölkerung kümmern.
In seinem Sky News Interview wurde Minister Edelstein mit den Worten zitiert:
Yuli Edelstein in einem Interview mit Sky News am 11. Januar 2021
„Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden in diesem Land gibt, egal welche Ansichten er oder sie auch hat, der sich vorstellen kann, dass ich dem israelischen Bürger einen Impfstoff wegnehme und ihn, bei allem guten Willen, unseren Nachbarn gebe.“
„Wir hören eine Menge unterschiedlicher Nachrichten“, sagte Dr. Elhalabi. „Wirklich, ich denke, wir sind Monate davon entfernt, die Impfstoffe zu erhalten.
Ich rufe die internationale und arabische Gemeinschaft auf, zu intervenieren, bevor die Situation außer Kontrolle gerät.“
Auch die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte von Israel, Impfstoffe für die 4,5 Millionen Palästinenser bereitzustellen. Israels hätte nach der Vierten Genfer Konvention die Pflicht, die medizinische Versorgung der besetzten Bevölkerung sicherzustellen und unter israelischer Kontrolle lebende Palästinenser mit Impfstoffen nichtdiskriminierend genauso zu versorgen, wie seine eigenen Bürger.
Anas Mohammed Jnena führte die Interviews mit den Gesundheitsarbeitern durch.
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