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Fünf Fahrzeuge aus der UdSSR, die der Volkspolizei dienten
Deutsch-sowjetische Automobilgeschichte

Fünf Fahrzeuge aus der UdSSR, die der Volkspolizei dienten

„Hüte dich vor blonden Frauen und Autos, die die Russen bauen.“ Dieser in der DDR beliebte Spruch klingt heute snobistisch – vor allem angesichts der Herausforderungen der eigenen Automobilproduktion. Trotzdem importierte die DDR für ihre Polizeikräfte sowjetische KFZ in großer Stückzahl. Hier zeigen wir die fünf prägendsten Modelle.

wolga mit kuehlerfigur

Wolga M-21: Das Statussymbol für Funktionäre

Der GAZ-21 „Wolga“ ist untrennbar mit der sowjetischen Automobilgeschichte verbunden. Das Fahrzeug zeichnete sich durch seinen großvolumigen Vierzylinder-Ottomotor mit hängenden Ventilen aus, der ein niedriges Verdichtungsverhältnis von 6,6 aufwies, um auch minderwertigen Kraftstoff zu vertragen.

Eine Dreigangschaltung mit synchronisierten oberen Gängen erleichterte das Fahren, und die innovative Einzelradaufhängung sowie eine hohe Bodenfreiheit machten den Wagen besonders geländetauglich. Mit einem Kraftstoffverbrauch von 12 bis 14 Litern auf 100 Kilometer galt er als durstig, was in der Sowjetunion jedoch durch die niedrigen Benzinpreise kompensiert wurde. 

Das Modell war nicht nur das beliebteste Fahrzeug aus sowjetischer Produktion, sondern auch ein Statussymbol in der DDR. Als Taxi oder Funktionärskarosse oft genutzt, blieb der Wolga wegen seiner hohen Unterhaltskosten für Privatpersonen ein Luxusobjekt. Selbständige Handwerker und Prostituierte zählten zu den wenigen, die sich dieses Fahrzeug leisten konnten.

Neben der DDR-Volkspolizei nutzte auch die finnische Polizei den GAZ-21 als Einsatzfahrzeug. Finnland entschied sich für dieses Modell aufgrund seiner Robustheit und Geländegängigkeit, die besonders in ländlichen Regionen von Vorteil waren. Zudem war der GAZ-21 vergleichsweise günstig und somit ideal für die breite Nutzung im Polizeidienst geeignet.

Wolga der Deutschen Volkspolizei
Wolga der Deutschen Volkspolizei 1968 vor den Ruinen der gerade gesprengten Garnisonskirche (1735 erbaut) in Potsdam.

Moskwitsch-408: Solide, aber unpopulär

1964 begann die Produktion des Moskwitsch-408, der hauptsächlich für den Export gedacht war. Der Wagen wurde von einem 1,4-Liter-Vierzylinder-Ottomotor mit 50 PS angetrieben, was ihm eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 120 km/h verlieh.

Sein durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch lag bei etwa 10,4 Litern auf 100 Kilometer, was ihn für viele Privatnutzer unattraktiv machte. Die robuste Bauweise und eine hohe Bodenfreiheit machten ihn besonders geeignet für schwierige Straßenverhältnisse, während die 4-Gang-Schaltung mit Lenkradschaltung den technischen Standard seiner Zeit widerspiegelte.

Neben der DDR wurden auch andere Länder des Ostblocks sowie einige Staaten im Nahen Osten beliefert, was seine Bedeutung für die sowjetische Exportstrategie unterstrich. Seine moderne Linienführung fand zunächst Anklang, doch der hohe Verbrauch und die enorme Geräuschentwicklung im Innenraum machten ihn bei Privatnutzern unbeliebt. Trotzdem blieb er im Fuhrpark der Volkspolizei ein verlässliches Arbeitstier.

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Wolga M-24: Das Flaggschiff der DDR-Straßen

Das Gorki-Automobilwerk präsentierte 1966 mit dem GAZ-24 ein neues Flaggschiff. Angetrieben von einem 2,4-Liter-Vierzylindermotor mit 95 PS erreichte der Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h. Mit einer Länge von 473,5 cm, einer Breite von 180 cm und einer Höhe von 149 cm bot der GAZ-24 einen geräumigen Innenraum. Sein Kraftstoffverbrauch lag bei etwa 12 Litern auf 100 Kilometer.

Robustheit und hohe Bodenfreiheit machten ihn sowohl für die DDR als auch für schwierige Straßenverhältnisse in der Sowjetunion geeignet. Die 4-Gang-Schaltung mit Lenkradschaltung unterstrich die Zuverlässigkeit und technische Simplizität des Modells.

Im Vergleich zu westlichen Fahrzeugen wie dem Opel Rekord oder dem Ford Taunus aus der gleichen Zeit bestach der GAZ-24 durch seine Robustheit und Geländegängigkeit, blieb jedoch in Sachen Komfort und technischer Raffinesse hinter seinen Konkurrenten zurück. 

Der imposante Kühlergrill mit der V-Form und das „Fischbein“-Design verliehen dem Wagen ein modernes Erscheinungsbild, das an amerikanische Vorbilder erinnerte. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h war der GAZ-24 den meisten Fahrzeugen auf DDR-Straßen überlegen. Trotz seiner Dominanz blieb er jedoch nicht von der typischen Korrosion verschont.

Wolga GAZ 24
Wolga M 24 auf einem Oldtimertreffen 2007

Lada 1500: Glanz mit Schattenseiten

Der Lada 1500, auch bekannt als VAZ-2103, wurde von 1972 bis 1984 produziert und galt als einer der luxuriöseren Vertreter der sowjetischen Automobilproduktion. Die verchromten Außenspiegel und Holzimitatverkleidungen im Innenraum verliehen ihm einen Hauch von Eleganz, der im Ostblock Seltenheitswert hatte.

Sein 1,5-Liter-Vierzylindermotor mit 75 PS ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 152 km/h. Besonders beeindruckend war, dass der Lada 1500 an die rauen Bedingungen der Sowjetunion angepasst wurde: verstärkte Karosserie, robustes Fahrwerk und hohe Bodenfreiheit machten ihn zu einem zuverlässigen Partner für ländliche und anspruchsvolle Straßenverhältnisse.

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Allerdings hatte der Lada 1500 seine Schattenseiten: Die Bremsen und die Lenkung waren vergleichsweise schwerfällig, und der Wartungsaufwand war enorm. Privatpersonen waren oft überfordert, während die Volkspolizei dank eigener Werkstätten diese Probleme besser handhaben konnte.

Besonders problematisch war der mangelnde Rostschutz – der Begriff „Rostlaube“ wurde vielerorts zur Standardbezeichnung für den Lada. Während die Volkspolizei eigene Werkstätten für Reparaturen betrieb, standen Privatpersonen oft vor unüberwindbaren Herausforderungen.

Volkspolizei und Westberliner Polizei an der Friedrichstraße.
Aufeinandertreffen von Volkspolizei und Westberliner Polizei an der Friedrichstraße.

Lada 1600: Der vielseitige Dauerbrenner

Der Lada 1600, produziert von 1976 bis 2006, war eines der vielseitigsten und langlebigsten Modelle sowjetischer Automobilproduktion. Sein 1,6-Liter-Vierzylindermotor leistete 80 PS und ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 155 km/h. Mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 17 Sekunden war er kein Sprinter, aber für den Alltag völlig ausreichend.

Der Lada 1600 basierte ebenfalls auf dem Fiat 124, wurde jedoch mit einer verstärkten Karosserie und einem robusteren Fahrwerk speziell an die Bedingungen in der Sowjetunion angepasst. Diese Modifikationen machten ihn besonders langlebig und prädestinierten ihn für schwierige Straßenverhältnisse.

Neben seiner einfachen Bauweise überzeugte der Lada 1600 mit Komfortelementen wie verbesserten Sitzen und einer moderneren Innenraumgestaltung. Diese Eigenschaften machten ihn sowohl bei Behörden als auch bei Privatpersonen beliebt.

Frühe Modelle des Lada 1600 waren besonders gefragt, da sie den Fiat 124 optisch und technisch überzeugend weiterentwickelten. Die immer noch bestehende Ähnlichkeit zum Fiat 124 machten das Auto auch außerhalb behördlicher Nutzung zum Statussymbol.

Trotz seines eleganten Äußeren wurde er jedoch oft für seinen hohen Wartungsaufwand und die häufigen Reparaturen kritisiert. Trotz der Kritik am Rostschutz schätzten viele Nutzer die einfache Technik des Fahrzeugs, auch wenn die Ersatzteile teuer waren und nur mit Mühe zu beschaffen.

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Jagd auf den Transitstrecken

In den Anfangsjahren der DDR nutzte die Volkspolizei fast ausschließlich Fahrzeuge aus eigener Produktion, wie den Wartburg 311. Ab den 1970er-Jahren wurden die Flotten jedoch durch sowjetische Modelle ergänzt, darunter Fahrzeuge von AvtoVAZ aus Toljatti (Wolga) und dem Gorki-Automobilwerk aus Nischni Nowgorod (Lada).

Sowjetische Modelle waren nicht nur leistungsstärker als der Wartburg 353, sondern boten auch eine bessere Geländegängigkeit und höhere Robustheit, die auf den Straßen der DDR erforderlich waren. Besonders auf Transitstrecken und bei der Verfolgung von DDR-Bürgern, die der staatlichen Kontrolle zu entkommen versuchten, kamen diese Fahrzeuge zum Einsatz.

Trotz ihrer Verbesserungen waren diese Modelle den hochmotorisierten westlichen Fahrzeugen wie Opel Senator, Land Rover oder Mercedes G-Klasse deutlich unterlegen. Bei Verfolgungen auf Autobahnen konnten diese Fahrzeuge der Volkspolizei oft mühelos entkommen.

Insbesondere die westlichen Militärmissionen nutzten diese Überlegenheit gezielt aus, um den DDR-Behörden zu entgehen. Während der Wolga und der Lada für die Volkspolizei unverzichtbar blieben, waren sie in Sachen Geschwindigkeit und technischer Raffinesse keine Gegner für die hochmotorisierten Fahrzeuge der westlichen Alliierten.

Tarnen und Täuschen im Admiral

Die westlichen Militärmissionen setzten bei ihren riskanten Spionagefahrten in der DDR gezielt auf den Opel Admiral B. Sein entscheidender Vorteil war die äußerliche Ähnlichkeit zum sowjetischen Wolga M24, was ihn zu einem idealen Tarnfahrzeug machte.

Anders als der Wolga war der Admiral jedoch ein technisch fortschrittliches Fahrzeug mit leistungsstarken Motoren, die schnelle Fluchtmanöver ermöglichten. Diese Kombination aus Vertrautheit im Straßenbild und überlegener Technik machte ihn zum perfekten Werkzeug für Spionageoperationen im Kalten Krieg.

Besonders in Regionen mit hoher Volkspolizeipräsenz oder in der Nähe strategischer Einrichtungen setzte man auf den Admiral, um unauffällig und effektiv agieren zu können. Laut Berichten von Zeitzeugen war dieses Fahrzeug unverzichtbar, um Informationen zu sammeln und gleichzeitig der Verfolgung zu entgehen.

Der Opel Admiral B war für die westlichen Alliierten ein unverzichtbares Werkzeug, da er durch seine äußerliche Ähnlichkeit zum Wolga M24 Verdacht bei Kontrollen in der DDR vermied. Er war das perfekte Fahrzeug, um strategische Operationen durchzuführen und gleichzeitig unauffällig zu bleiben.

Das Erbe der sowjetischen Fahrzeuge

Fast 32 Jahre nach dem Mauerfall sind Fahrzeuge sowjetischer Bauart aus dem Straßenbild fast vollständig verschwunden, obwohl die DDR diese Fahrzeuge in großer Stückzahl importiert hat.

Alle damals gelieferten Fahrzeuge hätten inzwischen ein Anrecht auf das steuerbegünstigte H-Kennzeichen (Historienkennzeichen) mit einem pauschalen Steuersatz von 191,73 Euro für Oldtimer.

Mangelhafte Verarbeitung und die Verwendung minderwertiger Stahl- und Blechteile führten schon kurz nach Inbetriebnahme dieser Fahrzeuge zu erheblicher Korrosion, weshalb sowjetische Fahrzeuge in der deutschen Oldtimer-Flotte kaum zu finden sind. Ein steuerbegünstigtes H-Kennzeichen wäre ihnen sicher, doch ihre Überlebensrate ist gering.

Die Erinnerung an die robusten, aber fehleranfälligen Fahrzeuge bleibt ein faszinierendes Kapitel deutsch-sowjetischer Automobilgeschichte. Sie zeugen von einer Zeit, in der Ostblock-Industrie und westliche Standards auf DDR-Straßen aufeinandertrafen.

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