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Schwerkrimineller ‘La Diabla’ in Hamburg gefasst
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Schwerkrimineller ‘La Diabla’ in Hamburg gefasst

Dem Hamburger LKA (Zielfahndung/LKA 23) gelingt die Festnahme von Leudis Isaac Corro Camacho alias „la Diabla“ oder „Donatella“ in einem Wohnungsbordell im Hamburger Stadtteil Hohenfelde.

von <a href="https://nacht-depesche.de/Autoren/Ignaz_Nemtsov">Ignaz Nemtsov</a>

aktualisiert am 09. Dezember 2021 | 13:05 Uhr

Leudis Isaac Corro Camacho alias La Diabla
Leudis Isaac Corro Camacho alias „La Diabla“

Leudis Isaac Corro Camacho gehörte zu den meistgesuchten Verbrechern Europas. Gegen ihn wird unter anderem wegen Menschenhandels, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt.

Das mutmaßliche Oberhaupt eines europaweit tätigen Menschenhändlerrings sei bereits am Mittwochabend, 1. Dezember 2021, kurz vor Mitternacht von Zivilfahndern des LKA in einer Wohnung am Graumannsweg verhaftet worden.

Laut Informationen der spanischen Nationalpolizei rekrutierte der mutmaßliche Täter Frauen und feminine Männer in Venezuela, um sie hauptsächlich in Spanien und Deutschland sexuell auszubeuten.

Nach Europa gelockt

Die Opfer wurden von ihm nach Spanien gelockt und dort zu Schönheitsoperationen gezwungen. Berichten zufolge, wurde den gefangenen Frauen und Männern Fett abgesaugt. Den entführen Männern wurden Brustimplantate eingesetzt und Östrogene verabreicht.

Der mutmaßliche Täter rekrutierte seine späteren Opfer in sozialen Netzwerken und im Umfeld des Schönheitswettbewerbs “Miss Trans Venezuela”.

Die oft prekäre wirtschaftliche Situation von Menschen mit sexueller Identitätsstörung, machten es dem mutmaßlichen Menschenhändler leicht, in seiner venezolanischen Heimat immer neue Opfer anzuwerben.

Repression in Venezuela

Die angebotsorientierte Politik der sozialistischen Staatspartei (Partido Socialista Unido de Venezuela) hat das Land in die schlimmste Wirtschaftskrise seiner Geschichte geführt.

Die mit der kollabierenden Wirtschaft einhergehenden Konflikte haben die Toleranz gegenüber Schwulen und Transsexuellen spürbar verringert. 

Von regulären Jobs und dem Familienlebensmittel-Programm der Regierung sind Transpersonen weitestgehend ausgeschlossen. Dazu berichtet das LGBTI Network of Venezuela über Folter, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Transpersonen. Sie sind Opfer von Aggression, Erpressung, Verfolgung und willkürlichen Festnahmen, insbesondere durch staatliche Sicherheitsorgane.

Die schwere Gesundheitskrise in Venezuela trifft auch die Transgender Community.

BBC News Mundo berichtet von fehlenden Behandlungsmöglichkeiten in der Transgender-Abteilung des medizinischen Zentrums UCIEP in Caracas.

La Sirena Real

Ein Schlaglicht auf die medizinische Unterversorgung von Transpersonen hat der frühe Tod der ‘Miss Trans Venezuela’ im Jahr 2017 geworfen. Luis Alberto Silva, ein auch unter dem Namen „La Sirena Real“ bekannter venezolanische Transgender, ist mit nur 26 Jahren an den Folgen einer Silikon-Vergiftung gestorben.

Yesica Bloom, wie er sich auch genannt hatte, begann sich mit 15 Jahren zu prostituieren. Er stand jede Nacht in Dessous und Highheels auf dem Straßenstrich in Maracaibo, eine Hafenstadt im Nordwesten von Venezuela, und sammelte Geld für seine Geschlechtsumwandlung.

Am Ende reichte es nur für minderwertige Implantate aus Industriesilikon. Ein Sturz ließ sein Gefäßimplantat platzen. Silikon verteilte sich in seinem Körper und löste eine tödlich verlaufende Lungenentzündung aus.

Künstler und Aktivist

Daniel Arzola, ein inzwischen ausgewanderter Künstler, berichtet gegenüber Out, dass er mit 15 von seinen Nachbarn in Maracay aus dem Haus gezerrt und mit Kabelbindern an einen Strommast gebunden wurde.

Sie begannen Feuerwerkskörper auf ihm zu werfen und brennende Zigaretten an seinem Körper auszudrücken. Ihm gelang die Flucht in die USA.

Exodus fast aller LGBT+-Menschen

Die mit der Wirtschaftskrise einhergehende soziale Repression hat einen großen Teil der LGBT-Community aus dem Land getrieben. Der Wunsch, Venezuela zu verlassen, führte die besonders gefährdeten trans*Personen in die Arme skrupelloser Menschenhändler.

Die meisten Transformistas führte ihre Flucht aus Venezuela in die Bordelle Spaniens, Panamas, Kolumbiens und der Dominikanischen Republik. Oder, wie im hier beschrieben Fall, nach Berlin und Hamburg.

Sexsklaven in Spanien

Leudis Isaac Corro Camacho begann schon vor Jahren, Geld durch illegale Einschleusung und Zwangsprostitution zu erlangen. Im August 2017 befreite die spanische Nationalpolizei 24 seiner Opfer aus verschiedenen Wohnungen und Bordellen in Barcelona und Palma de Mallorca.

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Ismael Olea, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Unmenschliche Zustände

Die zum Teil zwangsfeminisierten Venezolaner mussten sich unter unmenschlichen Bedingungen 24 Stunden am Tag zahlenden Freiern anbieten.  

Einige seiner Opfer wurden mithilfe eines Schönheitswettbewerbs angelockt. Den Teilnehmern der venezolanischen ‘Miss Trans’-Wettbewerbe wurde eine Brustvergrößerung und eine Reise nach Spanien versprochen.

In Europa angekommen, wurden ihnen die Reisepässe abgenommen und eine ‘Schuld’ von 15.000 Euro auferlegt, die abzuarbeiten war. Wurde die Sexarbeit nicht enthusiastisch genug erbracht oder Kritik geäußert, erhöhten zusätzliche ‘Geldstrafen’ die ‘Schuld’ der Opfer. Die feminisierten Männer sollten, so in einem nie endenden Zustand der Knechtschaft gehalten werden.

Laut Aussagen, die einiger der befreiten Opfer bei der Polizei machten, wurden Prostituierte, die keine Höchstleistungen mehr bringen konnten, von Corro Camacho weiterverkauft.

Die Sexsklaven hausten laut Aussage der spanischen Polizei in engen, überfüllten und feuchten Räumen in Etagenbetten. Sie mussten ihren Kunden rund um die Uhr zur Verfügung stehen und jede sexuelle Praktik anbieten, dazu wurden sie von Corro Camachos Bande auch zum Verkauf von Drogen eingesetzt.

Jeder der zwangsprostituierten Venezolaner spülte monatlich 4.000 Euro in die Kasse der Menschenhändler.

Beworben wurden das Sexangebot über Kleinanzeigen und spezielle Escort-Webseiten, auf diesen wurde aggressiv geworben. Die Escorts seien bereit, jeden Kundenwunsch zu erfüllen.

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Euro Weekly News – Costa del Sol 22-28 November 2018 Issue 1742

Trans-Vestigialitäts-Hypothese

Die große Zahl venezolanischer Transsexueller überrascht Experten nicht. Der Evolutionsbiologe Frank Muscarella hat in einer 2008 veröffentlichten Studie nachgewiesen, dass homoerotische Neigungen auch Folge von Frustration, sozialer Ausgrenzung und einem Mangel an sexueller Aktivität sein können.

Die ihrer Privilegien beraubten und zum Teil verarmten jungen Männer der alten Ober- und Mittelschicht suchen in transsexuellem Verhalten Anschluss und vermeiden die Konfrontation mit den potenteren Männern des neuen Regimes.

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Zuhälter als Hure

Was den Fall aus Hamburg wohl einzigartig macht, der am Freitag gefasste Zuhälter und Kopf der Menschenhändlerbande, arbeite selbst als Trans-Prostituierte. In Reizwäsche und mit eigenen Brustimplantaten ausgestattet, verkaufte er sich in den Bordellen und Model-Wohnungen, in denen auch seine Opfer ausgebeutet wurden. Als willige „Donatella“, machte er dieselben Erfahrungen wie die von ihm geschädigten Trans-Prostituierten.

Nach der Zerschlagung seines Prostitutionsringes gelang Leudis Isaac Corro Camacho die Flucht. Er setze seine Geschäfte fort und baute Kontakte nach Deutschland und Tschechien auf.

Komplize Norbert Köhler

Der ebenfalls in Hamburg festgenommene schwerkriminelle Tscheche Norbert Köhler (44) wurde im August 2017 von der spanischen Nationalpolizei in Majadahonda mit 212 Kilo Kokain auf der Avenida Príncipe de Asturias festgenommen. Das von ihm ins Land geschmuggelte Kokain sollte vermutlich nach Madrid.

Zu 12 Jahren Haft verurteilt, wird er auch wegen Geldwäsche, Entführung, Geiselnahme, bewaffnetem Raub und Erpressung gesucht. In seinem Heimatland wurde er der Bande von Davyd Berdych zugerechnet. Einem berüchtigten Kriminellen, der zwischen 1990 und 2004 an Raubüberfällen, Entführungen und Morden beteiligt war.

Die tschechischen Behörden identifizieren Köhler, zwischen August 2000 und April 2001, als Komplizen Berdychs. Köhler war in dieser Zeit an neun Raubüberfällen beteiligt. Er gab sich dabei als Polizist aus, stoppte seine Opfer auf der Straße, entführte und folterte sie, mit dem Ziel, an die PIN-Codes mitgeführter EC- und Kreditkarten zu gelangen.

Berdychs Kontakte zu hochrangigen tschechischen Polizisten erschwerten die Ermittlungen gegen die Bande.

Komplize Antonio Angles Martins

Der in Brasilien geborene Angles Martins hat zusammen mit seinem Komplizen Miguel Ricart Tarrega drei Anhalterinnen, die später sogenannten Alcàsser‐ oder Alcácer-Mädchen, in seinem Auto mitgenommen.

Er hat sie, in der Nacht auf den 13. November 1992, in seinen Wagen gelockt, sexuell missbraucht, gefoltert und getötet. Nachdem er seine grausame Tat ausgeführt hatte, begrub er die Mädchen in der Gegend von Tous (Valencia).

Seine Tat schockierte damals ganz Spanien. Die darauffolgenden stümperhaften Ermittlungen ramponierten das Ansehen der Guardia Civil.

Anders als Köhler ist Antonio Angles Martins weiterhin auf der Flucht. Um sich der Justiz zu entziehen, verwendet er falsche Identitäten. Er trat schon als Francisco Midwife Zafra, Rubén Darío Angles Martins, Enrique Angles Martins und Rubén Darío Romero Pardo auf. Im Milieu verwendet er Spitznamen wie „Auquiqui“ oder „Sugar“.

Angles Martins trägt Tätowierungen, die ihn identifizierbar machen. Ein Skelett auf seinem linken Arm, dazu die Parole „amor de madre“ und eine Chinesin mit Regenschirm.

Spitznahme “La Diabla”

Seinen Spitznamen “la Diabla” (die Teufelin) erhielt Corro Camacho in Anlehnung an eine populäre kolumbianische Fernsehserie “Sin Tetas No Hay Paraíso” (Ohne Titten kein Paradies).

Die ‘Böse’, bei den Zuschauern gleichzeitig sehr beliebte, Protagonistin Yésica Franco „La Diabla“, gespielt von Sandra Beltrán, führt Mädchen in ihrer Nachbarschaft kriminellen Banden zu. Der Preis für die von diesen Mädchen ersehnten neue Brüste: Prostitution.

Heiße Spur

Auf die Spur Corro Camachos in Hamburg kamen die Ermittler, spanischen Medien zufolge, durch gleichlautende Formulieren in Online Inseraten. La Diabla benutzte Floskeln, die er schon 2017 in Spanien genutzt hatte, um seine ‘Ware’ anzupreisen.

zitat 2

“Para ustedes la más perversa y complaciente trans …”

“Für dich die perverseste und offenherzigste Trans …”

“… disponible para cualquier tipo de fantasía sexual …”

“… verfügbar für jede Art von sexueller Fantasie …”

“Experta en dobles penetraciones, penetraciones extremas y fisting, … orgías, tríos, … soy la más sumisa perrita …”

“Expertin für Doppelpenetration, extreme Penetration und Fisting, … Orgien, Dreier, … ich bin die unterwürfigste Bitch …”

“Me gustan los hombres viciosos …”

“Ich mag bösartige Männer …”

El gang bang una de las prácticas preferidas …

“Gangbang ist eine meiner beliebtesten Praktiken …”

Eine der in den Anzeigen genannte Telefonnummer war der Schlüssel, dem die litauische Polizei folgte, nachdem sie von ihren spanischen Kollegen darauf aufmerksam gemacht worden war, dass „La Diabla“, über diese zu orten wäre. „Wir vermuteten ihn in Litauen oder Deutschland”, bestätigten die Ermittler. 

Zugriff um Mitternacht

Liebesbeziehungen zu einem ehemaligen deutschen Polizisten und zu dem litauischen Eishockeyspieler Robert Licitis waren Anhaltspunkte, denen die Zielfahnder folgten.

Der ehemalige deutsche Polizist, mit dem Corro Camacho Ende 2020 aus Spanien geflohen war, wurde nur einen Tag nach der Veröffentlichung seines Fotos in der Rubrik ‚der meistgesuchten Personen‘ von der deutschen Polizei festgenommen. 

Nun konzentrierten sich die Fahnder auf den Litauer Licitis. Mit Erfolg, beide wurden gegen Mitternacht aufgespürt und festgenommen. Der 34-jährige “La Diabla” wartet jetzt in der Hamburger Untersuchungshaftanstalt Dammtor auf seine Auslieferung nach Spanien.

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